Kaum zu übersehen ist ein weißes Buch in Altarbibelgröße auf dem Mittelgang der Halle 20, Stand 119. Doch ein messetauglicher "Eyecatcher" kann die Arbeit von Karin Sander trotzdem kaum sein. Auf den Seiten steht nämlich erstmal nichts. Keine Botschaft in Schwarz auf Weiß und mit Lettern geschrieben. Die haptische Lektüre von Karin Sander kann nur jemand entziffern, der Braille-Schrift versteht. Die Konzeptkünstlerin Sander wurde spätestens mit der Ausstellung "Nichts" letztes Jahr in der Frankfurter Schirn einem breiteren Publikum zum Begriff, als sie die Kunsthallenbesucher mit Audioguides in eine unsichtbare Ausstellung schickte. Kopfhörer auf, hingesetzt, zugehört. Das war die einzige Chance, die Ausstellung hörend im Kopf entstehen zu lassen. Für ihre aktuelle Edition Book in Braille hielt sich die Professorin von der Kunsthochschule in Berlin Weissensee diesmal an ihre Künstlerkollegen. Auf der Kleinplastik Triennale in Fellbach 2007 bat sie die Bildhauer, ihre Arbeiten in eigenen Worten so zu beschreiben, dass sie auch für Blinde sichtbar würden. Die Künstler-Worte hat sie in Blindenschrift übertragen und zum für Sehende unlesbaren Protokoll einer hochkarätigen Plastik-Ausstellung umverwertet. Die Auflage ist respektabel auf 250 gesetzt, kostet 300 Euro und wird vertreten von der Isländischen Galerie i8. Und wie nennen wir das? Berührungsskulptur. TH
Sonntag, 30. September 2007
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