Dieser Talk bot für seine spätere Kritik dankbaren Stoff. Es fielen ständig eingängige Sätze, Slogans, Labels. Nicht von ungefähr kamen die handfestesten dieser Zwischentitel von Oliver Koerner von Gustorf, monopol-Redakteur: "Texte zur Kunst ist Prada und monopol ist H&M." Oder auch: "Bei monopol bin ich Virus, oder Geheimagent." Aber auch André Rottmann, Chefredakteur von Texte zur Kunst, beteiligte sich an dem Spiel: "Criticality ist Teil der Marktlogik." Schlichtes, scheinbar Wahres mit dem sich ein Text gut verkaufen lässt. Womit man auch schon bei den gestrigen Fragen ist. Denn wie entsteht eigentlich Kunstkritik in einer Zeit, in der Galerien sich wie bessere Boutiquen verhalten, in denen weniger das Werk als die Personality eines Künstlers verkauft wird? Welche Funktion, welche Bedeutung hat eine Kritik, die an jedem besseren Corporate Design den Touch des Kritischen lobt? Der Diskussion war somit auch jene andere aktuelle Debatte um die heutige Bedeutung der politischen Kategorien rechts und links unterlegt - ein Thema, dem sich das Magazin CICERO in seiner aktuellen Ausgabe zuwendet und daran scheitert. Vor diesem Horizont aber geschahen eigenartige Dinge. Von Gustorf schilderte monopol plötzlich als grundgütige Zeitschrift: Wer, wenn nicht sie, bringe die Kunst unter das Volk, vermittle in spannenden, umfangreichen Geschichten, was bei Texte zur Kunst allein einem elitären Zirkel vorbehalten verbleibe? Schon aber traute er seinen eigenen Worte nicht mehr über den Weg und beteuerte schließlich, seine Arbeit für das Online-Kunst-Magazin der Deutschen Bank und für Monopol sei als Marsch durch die Institutionen zu verstehen, eigentlich aber verehre er Texte zur Kunst. André Rottmann zeigte sich diesem Werben unzugänglich; er sah die Launigkeit Gustorfs als Einladung an, die noch umfänglicheren, noch künstlernäheren Beiträge seiner Zeitschrift zu loben, in der ernsthafte Kritik noch möglich sei. Jenseits dieser karrieristischen Grabenkämpfe hätte man vielleicht Wichtigeres zu Wort kommen lassen können: Etwa die Überlegung, wie eine Kritik eigentlich verfahren müsse, deren Gegenstand sich aufgrund seiner Aktualität gerade erst amorph abzeichnet, weil er längst noch nicht von kunsthistorischen Begrifflichkeiten abgesichert wird? Die Publizistin Thea Herold ließ anklingen, die Kunstkritik kenne keinen Ur-Meter und müsse sich auf ihre Subjektivität verlassen, ein Verfahren dem aus einer sehr anderen Perspektive Oliver Koerner von Gustorf beipflichtete, der als persönlichen Ur-Meter des Kritikers die Kategorie "Haltung" pries. Katja Blomberg, heute Kuratorin, früher aber langjährige FAZ-Korrespondentin mit kunsthistorischem Wedegang, verwies auf die Eigenartigkeit, dass zeitgleich mit der Stärkung des Marktes die Kunstkritik aus den Feuilletons hinaus und in die Fachzeitschriften abgedrängt werde. Noch eigentümlicher ihre Beobachtung aus kuratorischer Sicht: statt eines immer mehr von Zeitknappheit getriebenen Kritikers sei es heute das Publikum, das sich vorurteilsfrei und ausführlich auf die Kunst einlasse. Und dafür war der gestrige Talk dann auch symptomatisch. Sein Gegenstand - und damit die Frage nach der Kunst - blieb seitens der Kritiker unsichtbar. (Art Forum Berlin Talk - Schreiben über Kunst: Aufgaben und Herausforderungen der Kunstkritik - 29. September 2007, 17.30 Uhr) AS
Sonntag, 30. September 2007
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