Messe. Montag. Mittag. Anselm Dreher steht aufrecht und pünktlich hinter seiner Galeristentheke in der Installation IFA von Folke Köbberling & Martin Kaltwasser: So schwarzgewandet, wie immer, mit weißem Haar wie gehabt, durch Barrett und Bart und selbst irgendwie zum Kunstwerk erhoben. Galerist seit vierzig Jahren. Bei allem Respekt vor der gelebten Konsequenz, ob es ein erfolgreicher Messejahrgang für ihn wird? Umgehend verwandelt sich der Ort zum Katheder und das Gesamtkunstwerk IFA wird charmant dekonstruiert und hermeneutisch durchdrungen. Anselm Dreher wird jeder Messe-Auftritt schon deshalb zum Erfolg, weil man hier konzentriert vor gutem Publikum seinen Standpunkt klären kann.
Die Arbeit selbst entstand fast in situ. Eine vorangegangene Messe am gleichen Ort lieferte den beiden Installationskünstlern aus Berlin ihren Stoff. Sie wussten: Endlos viel Baumaterial wird Jahr um Jahr in jenen drei Wochen vor der Internationalen Funkausstellung IFA erst penibel zur Ausstellung aufgebaut und dann nach Abschluss binnen weniger Stunden wieder zerdroschen und zerhackt. In diesem Moment setzten sie an. Die Geschichte des Messeabbaus ist als Handlung und in Interviews per Video festgehalten. Ohne Vorschlaghammer und Kreissäge geht dabei nichts. Und aus den materiellen Bau-Resten haben die beiden Berliner ihre begehbare Skulptur IFA jetzt in Drehers Koje gebaut. Rein stofflich genommen zauberten sie damit ein wunderschönes Recycling-Wunder "für lau". Und stilistisch gesehen scheinen sie die halbe Kunstgeschichte des letzten Jahrhunderts in zwei Etagen hochkant frisch zusammenzunageln. Es finden sich Anklänge an die Rosta-Fenster der russischen Konstruktivisten, an Art Brut, an Formen und Farben von Kabakov bis Rothko. Und ans Ready Made denkt man sowieso. Der erweiterte Skulpturbegriff als Spielplatz und Aussichtsturm - spaßig und sperrig - die Besucher nehmen es flott in Besitz. Wegzutragen ist es ja nicht. (Anselm Dreher, Halle 20, Stand 143) TH
Montag, 1. Oktober 2007
Sperriges Gesamtkunstwerk: Folke Köbberling & Martin Kaltwasser bei Anselm Dreher
von Thea Herold um 14:46
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