Die Big Player der westlichen Kunst- und Kulturinstitutionen zieht es derzeit in die arabischen Emirate Abu Dhabi und Dubai: Nicht nur planen das Guggenheim und das Louvre eine dortige Dependance, sondern auch die New York University will einen Campus und die Pariser Sorbonne ein Bildungsprogramm einrichten. Den großen Kunsthäusern werden zahlreiche kleinere nachziehen und mit ihnen Stararchitekten, die die Institutionenlandschaft gestalten werden. Diese Vorhaben lösen starke Kontroversen im Kunstbetrieb aus. So sprach die französische Kuratorin Francoise Cachin unlängst davon, das Louvre verkaufe mit der Neueröffnung einer Dependance im arabischen Raum seine Seele. Unter der Moderation der Kunstkritikerin und Kuratorin Doreet Harten waren folgende Diskussionsteilnehmer auf das Panel des ART FORUM BERLIN eingeladen: Jean-Hubert Martin, bis 2006 Direktor des Düsseldorfer museum kunst palast und nun in beratender Funktion für die Louvre-Dependance zuständig; Solmaz Shahbazi, Filmemacherin und Künstlerin aus Teheran; Ali Khadra, Herausgeber des Kunstmagazins Canvas und in beratender Funktion für den arabischen Raum bei Christies tätig sowie Markus Brüderlin, seit 2006 Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg. Die Fragen lauteten: Wird mit der Neueröffnung alteingesessener westlicher Kulturinstitutionen ein Versprechen der Moderne eingelöst, das heißt die breite Vermittlung von Kunst und Kultur?
Oder wandeln sich die Museen am neuen Ort zum Disneyland? Haben wir es mit einer neuen Form der Kolonialisierung zu tun, die gegen teure Öldollars westliches Kulturgut in die arabischen Länder importiert? Oder führen solche Schritte zu neuen Möglichkeiten des interkulturellen Austausches? Khadra, der sich mit westlichen Vorbehalten konfrontiert sieht, hielt ein Plädoyer für das interkulturelle und religiöse Miteinander. Die arabischen Emirate seien zudem selbst keine homogenen Einheiten, sondern vereinten Kunstformen unterschiedlicher Religionen und Kulturen. Auch bedeuteten die neuen Institutionen eine große Chance für die Entwicklung von Bildung, Demokratie und Wohlstand für die Menschen in den arabischen Emiraten. Martin sieht in der neuen Museumslandschaft erstmalig Möglichkeiten, westliche Präsentations- und Erzählweisen von Kunst in der europäischen Geschichte spezifisch zu reflektieren und zu hinterfragen. Den Ausverkauf westlicher Kultur könne er nicht sehen, Teile der Sammlung aus dem Louvre würden zunächst nur zehn Jahre am neuen Ort verbleiben. Brüderlin hingegen gab zu bedenken, dass sich dort bereits zeige, was aktuell auch in Europa festzustellen sei – nämlich der Rückzug staatlicher Förderung aus der Kultur und der zunehmende Einfluss privater Gelder. Die Filmemacherin Shahbazi gab sich bei aller Aufregung zurückhaltend. Sie erwarte keinen bedeutenden Wandel für die Region, sagte sie, zudem sei die jüngste Entwicklung logisch – Abu Dhabi und Dubai seien ganz einfach weitere neue Märkte, die eben nun erschlossen würden. (ART FORUM BERLIN Talk – Jenseits des Mittelmeers – Kunstszenen im Aufbruch II: Neue Museen in Dubai und Abu Dhabi – 30. September 2007, 15 Uhr) AS
Bild 1 - Markus Brüderlin
Bild 2 - Doreet Harten
Dienstag, 2. Oktober 2007
Neue Museen in Dubai und Abu Dhabi
von Anne Schreiber um 11:04