Es ist klar, dass man in einem eineinhalbstündigen Panel zur asiatischen Kunstszene nur Oberflächen streifen kann. Zudem bewirkt die Einteilung eines zeitgenössischen Kunstschaffens in Regionen, Nationen und Kontinente eine Vereinheitlichung, die der realen Diversität nicht gerecht wird. Auf die „falschen“ Mechanismen der Repräsentation wies auf diesem Panel Carson Chan hin und untergrub so das vorgegebene Thema. Kann man überhaupt über „die“ Kunstszene Asiens sprechen? Zusammen mit den Kuratoren Shaheen Merali und Tereza de Arruda, die als Moderatorin eingeladen war, verantwortete er jüngst ein Ausstellungsprojekt zur asiatischen Kunstszene in Berlin. Als Raum wurde dafür eine Kirche in der Auguststraße gewählt, um westliche Präsentationsweisen von Kunst zu thematisieren. Die Ausstellung wollte in Frage stellen, inwiefern man überhaupt von „dem“ Asiatischen sprechen könne, von einer gemeinsamen Ästhetik und Geschichte. Doch wie der anschließende Beitrag von Carol Lu zeigte, lässt diese Form dekonstruktiver Kritik allzu leicht hinter sich, dass es politische und kulturelle Gemeinsamkeiten gibt, die eine gewisse gemeinsame künstlerische Identität erzeugen. In ihrem informativen Vortrag parallelisierte die in Peking lebende Kuratorin und Kritikerin Lu die zeitgenössische und die Kunstszene der 1980er Jahre in China und fragte, weshalb in beiden Zeiten ein Desinteresse gegenüber der politischen Realität seitens der Künstler herrsche. Im Rückblick auf die 1980er könne man von einer Art chinesischer Renaissance sprechen, in der es galt, Ausdrucksformen für das zerstörte Selbst zu finden. Der kritische Diskurs der Intellektuellen stand dabei in Opposition zur aktuellen politischen Agenda, die sich ihrerseits für Kunst nicht interessierte. Die heutige Zeit wiederum lenke durch den erstarkenden Markt eine ungeheure Aufmerksamkeit auf die Kunst. Dies löse neue Irritationen aus, ein neuer Pragmatismus und eine neue Konsumhaltung bewirkten ein Gefühl der Leere, Ohnmacht und Ziellosigkeit. Künstler wie Ai Weiwei, die noch in den 1980ern eigene Inhalte verfolgten, ließen sich nunmehr instrumentalisieren für den Ausverkauf einer angeblich authentischen, chinesischen Kultur, deren Erfolg sich jedoch kaum mehr ohne diese Schablone erklären ließe. Der Beitrag von Gregory Knight setzte einen Fokus auf die indische und taiwanesische Kunst. In zwei neueren Ausstellungsprojekten hatte Knight die Arbeiten zeitgenössischer Künstler aus Chicago und Taiwan kontrastiert („Ten Artists from Chicago and Koahsiung, Impermanance“) sowie in „New Narratives“ das zeitgenössische Kunstschaffens Indiens präsentiert. Während seine Vorredner sich kritisch mit den ästhetischen und politischen Mechanismen des Kunstsystems auseinandergesetzt hatten, wirkte dieser Beitrag etwas schmal. Wie die derzeitigen Bedingungen der Kunstproduktion in diesen Ländern sind, wurde leider nur am Rande gestreift. (ART FORUM BERLIN Talk – Die Kunstszenen Asiens - 1. Oktober 2007, 15 Uhr) AS
Bild - Carson Chan, Galerist, Program Initiative for Art + Architectural Collaborations, Berlin
Dienstag, 2. Oktober 2007
Die Kunstszenen Asiens
von Anne Schreiber um 17:35